Bernd Essler: Deutschland in der EURO-Falle

Schauen wir zurück auf Ende 2007, auf den Abschluss des Lissabon-Vertrages. Dieser Vertrag wertete die EZB zum Organ der EU auf und entmachtete die Deutsche Bundesbank vollends. Sie wurde vollständig vom ESZB, dem System der europäischen Zentralbanken vereinnahmt mit ihren gesamten Vermögenswerten. Dabei konnte man schon damals die Konstruktionsfehler des EURO-Systems in aller Deutlichkeit erkennen.

Eine einheitliche Währungs- und Geldpolitik für vollkommen unterschiedliche Staaten mit einer unterschiedlichen Haushalts- und Fiskalpolitik und großen strukturellen Unterschieden in der Wirtschafts- und Sozialpolitik kann man nicht zentral steuern. Der eingeschlagene Weg, Europa über die Währung zu einen, führt zum genauen Gegenteil. Nun könnte man hergehen und argumentieren, dass man dann eben mehr vereinheitlichen muss, mit anderen Worten indem man aus einem Staatenbund einen Bundesstaat machen, bei dem alle diese Dinge zentral von Brüssel aus gesteuert werden. Abgesehen von der Frage, ob das dann funktioniert, ist dieses Thema wohl illusorisch, denn die meisten Länder denken nicht daran, solche wesentlichen Bestanteile ihrer Souveränität aufzugeben und einem Brüsseler Moloch zu übertragen, der dann auch noch keine demokratische Legitimität hat.

Wie wenig diese EU in der gegenwärtigen Verfassung funktioniert, bekommt die Bevölkerung praktisch täglich vorgeführt. Das Vertrauen der Bevölkerung in diesen Apparat ist längst auf den Nullpunkt gesunken und das ist auf das Versagen der bisherigen Politiker-Elite zurückzuführen. Weniger kann auch ein Mehr bewirken. So ist ein eigentlich erstrebenswertes Vorhaben gescheitert und in Misskredit geraten.

Symbol für dieses Scheitern ist der EURO, dessen Konstrukt man wider besseres Wissen durchgeboxt hat, denn auch die Währung ist bereits gescheitert und mit jedem Tag der tatenlos vergeht, wird die Last für einige wenige Mitgliedsstaaten größer werden. Zu dieser Erkenntnis kann man sehr leicht und für jeden nachvollziehbar gelangen, denn das ESZB hat ein Fieberthermometer installiert, an dem man zeitnah das Ausmaß der Asymmetrie der wirtschaftlichen Strukturen in den Mitgliedsländern der EURO-Zone ablesen kann, nämlich die Entwicklung der TARGET2-Verrechnungssalden der Zentralbanken dieser Staaten. Diese Verrechnungssalden funktionieren wie Seismographen, die jede Fehlentwicklung abbilden. Die Ungleichgewichte der Zahlungsströme zwischen den EURO-Staaten bewirken eine permanentes und langfristiges Anstiegen dieser Verrechnungssalden bei einigen wenigen Zentralbanken und umgekehrt das Entstehen von mehr oder weniger großen Zahlungsverpflichtungen bei fast allen anderen Zentralbanken. Das ist nichts anderes als eine andere Art der Finanzierung dieser Schuldner-Staaten, die systemintern finanziert werden, um ihre Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Die Finanziers sind Deutschland, Luxemburg und die Niederlande, genau in dieser Reihenfolge. Je länger diese Praxis währt, umso größer werden die Salden und Krisensituationen in einzelnen Ländern befeuern diese Saldenentwicklung dann noch zusätzlich überproportional. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie groß das Ausmaß dieser Bewegungen sein kann. Der Umfang der Einlagen bei den jeweiligen nationalen Geschäftsbanken ist da die Richtschnur. In Höhe dieser Einlagen können sich Zahlungsströme grenzüberschreitend in Bewegung setzen.

Bisher ist nicht zu erkennen, dass irgendjemand dieses Systems abändern oder gar reformieren will. Anfänglich wurde sogar geleugnet, dass dies überhaupt ein Problem sei.

Staatsfinanzierung findet also nicht nur über die Anleihe-Käufe der EZB statt, vorgeblich um das Zinsniveau zu drücken. Sie findet auch über die TARGET2-Salden statt, denn woher sollte denn der Ausgleich dieser Salden durch die beteiligten Zentralbanken kommen, wenn nicht durch Kreditaufnahme auf dem Geldmarkt.

Beide Vorgänge verhindern, dass in den betroffenen Ländern Reformen durchgeführt werden, die zwar allgemein als nötig akzeptiert sind, die aber politisch unerwünscht und meistens schmerzhaft sind. Die geforderten Politiker wollen nicht der Überbringer der schlechten Nachrichten sein. Sie verteilen lieber Geschenke mit dem Geld anderer, vorzugsweise anderer Staaten. So bewirkt der EURO und die Ausgestaltung des ESZB die Bewahrung der Ineffizienzen in diesen Ländern und führt zu einem permanenten Abbau der Wettbewerbsfähigkeit, wie man am Beispiel Griechenland und Italien fortlaufend sehen kann. Auch Frankreich ist davon extrem betroffen.

Manche glauben, Deutschland würde durch dieses System Vorteile ziehen. Das Gegenteil ist der Fall. In Relation zu anderen Ländern des EURO-Systems vermittelt zwar die einheitliche Währung diesen Eindruck, im Außenverhältnis zur Weltwirtschaft wird jedoch deutlich, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands immer weiter nachlässt. Für unseren Arbeitsmarkt müssen wir davon ausgehen, dass zukünftig immer mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, was enorme soziale Herausforderungen mit sich bringen wird.

Das Schlimme ist, dass diese Entwicklungen über längere Zeiträume ablaufen und von der Bevölkerung erst dann wahr genommen wird, wenn massive Verwerfungen eintreten und sie unmittelbar betroffen ist, wie derzeit mit der Null-Zins- oder Negativ-Zins-Politik.

Wie soll es nun weitergehen ? Erste Stimmen, natürlich aus den Schuldnerstaaten, fordern bereits eine Vergemeinschaftung der Schulden, also der Schritt von der Währungsunion zur Schuldenunion. Das bewirkt natürlich gar nichts. Es ermuntert allenfalls diese Schuldnerstaaten, ihre verantwortungslose Politik weiter zu betreiben. Sie werden sogar dafür belohnt. Danach würde alles so weiter gehen wie bisher. Am Beispiel Griechenlands kann man sehen, dass nur ein kleiner Teil den eingegangenen Selbstverpflichtungen erfüllt worden ist. Im Prinzip bleibt alles beim Alten, auch die Defizite.

Und dann gibt es noch die unsägliche Zinspolitik der EZB. Im Moment gibt es viele Beteiligte mit gegenläufigen Interessen, die alle das Ziel vor Augen haben, die bevorstehenden Verluste möglichst auf andere zu verteilen. Wenn man aber genau hinschaut, dann werden es in jedem Fall die deutschen Bürger diejenigen sein, die betroffen sind, und zwar sowohl beim einem Schuldenschnitt als auch bei einem Bail-out als auch bei wieder auflebender Inflation oder der Vertiefung des Negativzinses. In jeder denkbaren Lösung sind sie dabei. Allerdings ist das keineswegs prima, wie der entsprechende Song aus Köln dies beschreibt. Deutschland leistet permanent ohne eine Gegenleistung zu erhalten, um dieses Trugbild eines funktionierenden Währungssystems aufrecht zu erhalten. Man wird an die Geschichte von der Kaisers neuen Kleider erinnert. Und so wird es Zeit, über den Ausstieg aus diesem maroden System nachzudenken. In der Finanzwirtschaft hat man gelernt, dass der erste Verlust meist der geringere ist, will heißen, je später desto teurer für Deutschland.

Natürlich bedeutet dies das Ende des EURO, denn der Weiterbestand des EURO stützt sich hauptsächlich auf die Bonität und Leistungsfähigkeit Deutschlands. Und es wird viel Geld kosten, denn mit diesem Prozess werden die bereits eingetretenen Verluste transparent und auch die erste Zeit danach wird nicht lustig. Nun werden andere sagen, dass damit die EU gefährdet ist und dass es auch um die politische Einheit geht. Dann muss man allerdings auch die Frage stellen, warum es denn auch ohne Gemeinschaftswährung bis 1998 in der EWG funktionierte und wie viele hunderte Milliarden EURO es denn noch sein sollen, die wirkungslos in dieser ineffizienten EU verbrannt werden zu Lasten des deutschen Volksvermögens.

Bernd Essler